Überblick: Was ist eine Dystonie?
Unser Gehirn steuert über spezielle Nervengruppen im Wesentlichen unsere Bewegungen. Bei einer Dystonie ist diese Funktion aus unterschiedlichen Gründen gestört. Das bedeutet, es liegt eine Nervenstörung vor.
In der Folge ziehen sich einzelne Muskeln oder Muskelgruppen unwillkürlich zusammen. Diese Muskelkontraktionen sind vergleichbar mit einem Muskelkrampf. Bei den Betroffenen macht sich dies durch ungewöhnliche Bewegungen und Körperhaltungen bemerkbar, die kurzzeitig, aber auch dauerhaft auftreten können. Medizinerinnen und Mediziner zählen Dystonien daher auch zu den Bewegungsstörungen.
Der Begriff Dystonie bedeutet „fehlregulierte Anspannung“ von griechisch „dys“ = „fehlreguliert“ und „tonus“ = Spannung.
Zu den Dystonien zählen verschiedene Formen:
Generalisierte Dystonie: Hierbei dehnen sich die Muskelkrämpfe auf grössere Bereiche oder auch den gesamten Körper aus. Eine generalisierte Dystonie wird in der Regel vererbt. Sie beginnt häufig im Kindesalter oder Jugendalter und kann schwere Behinderungen zur Folge haben. Eine generalisierte Dystonie kann auch im Zusammenhang mit einer anderen Grunderkrankung auftreten. In diesem Fall spricht man auch von einer symptomatischen Dystonie.
Fokale Dystonie: Diese Form betrifft nur einzelne Muskelgruppen beziehungsweise eine Körperregion. Sind zwei benachbarte Muskelgruppen beteiligt, spricht man von einer segmentalen Dystonie. Bei einer multifokalen Dystonie sind mehrere nicht benachbarte Muskelgruppen betroffen.
Je nachdem, welche Muskeln hauptsächlich betroffen sind, unterscheiden Fachpersonen bei den fokalen Dystonien mehrere Unterformen:
- Schiefhals: Eine Dystonie im Halsbereich kann zu einer bestimmten Kopffehlstellung, dem so sogenannten Schiefhals, führen. Diese Form wird auch zervikale Dystonie oder Torticollis spasmodicus genannt. Der Schiefhals zählt zu den häufigsten fokalen Dystonien und kommt bei etwa drei von vier Betroffenen vor. Der Schiefhals kann durch eine Nervenstörung oder eine Muskelschädigung (neurologische Störung) bei der Geburt hervorgerufen werden. Je nach den betroffenen Muskeln treten verschiedene Kopfhaltungen auf. Typisch ist, dass Betroffene den Kopf zur Seite in Richtung des angespannten Muskels neigen.
- Lidkrampf: Der Lidkrampf, auch Blepharospasmus genannt, ist die zweithäufigste Form der fokalen Dystonie und betrifft Frauen häufiger als Männer. Hierbei ist ein um die Augen verlaufender Ringmuskel (Musculus orbicularis oculi) in seiner Funktion gestört. Dadurch kneifen Betroffene ein oder beide Augen unwillkürlich zusammen. Oft verstärken sich die Symptome bei hellem Licht, Fernsehen oder Wind. Der Lidkrampf schränkt das Sehvermögen vorübergehend ein und kann Betroffene insbesondere beim Autofahren beeinträchtigen.
- Stimmbandkrampf: Kommt es im Bereich der Stimmbandmuskeln zu Muskelkontraktionen, spricht man von einem Stimmbandkrampf oder einer spasmodischen Dysphonie beziehungsweise laryngealen Dystonie. Je nach beteiligten Muskeln klingt die Stimme angestrengt gequetscht und gepresst und ist mitunter sehr leise. Manche Betroffene haben nur Probleme beim Sprechen, nicht aber beim Singen oder Lachen.
- Schreibkrampf: Eine aktionsspezifische fokale Dystonie oder Beschäftigungsdystonie tritt nur bei bestimmten Tätigkeiten auf. Am häufigsten zeigt sie sich beim handschriftlichen Schreiben. Betroffene scheinen dabei den Stift mit den Fingern regelrecht zusammenzupressen. Sind anfangs nur die Muskeln der Hand betroffen, können im Verlauf der Erkrankung auch Muskeln des Arms beeinträchtigt sein. Diese Form kann auch Musizierende wie Pianistinnen und Pianisten betreffen.
- Mund-, Zungen-, Schlundkrampf: Sind die Gesichtsmuskeln betroffen, können Zuckungen und Krämpfe der Gesichtsmuskulatur das Gesicht regelrecht grimassenartig verzerren. Dadurch meiden Erkrankte mit einer oromandibulären Dystonie häufig den Kontakt zu anderen Menschen. Mitunter können die Krämpfe auch die Nahrungsaufnahme beeinträchtigen.
Dystonie – Häufigkeit und Alter
Die Dystonien zählen zu den seltenen Erkrankungen. Expertinnen und Experten schätzen, dass etwa 40 von 100’000 Menschen unter einer Dystonie leiden.
Je nach Erkrankungsform kann eine Dystonie in jedem Lebensalter auftreten. Eine generalisierte Dystonie beginnt häufig bereits im Kindesalter und Jugendalter. Dagegen tritt eine fokale Dystonie meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr auf.